Rechtstext im Wortlaut

mit Erläuterungen

Art. 426

A. Die Massnahmen

I. Unterbringung zur Behandlung oder Betreuung

1 Eine Person, die an einer psychischen Störung oder an geistiger Behinderung leidet oder schwer verwahrlost ist, darf in einer geeigneten Einrichtung untergebracht werden, wenn die nötige Behandlung oder Betreuung nicht anders erfolgen kann.

2 Die Belastung und der Schutz von Angehörigen und Dritten sind zu berücksichtigen.

3 Die betroffene Person wird entlassen, sobald die Voraussetzungen für die Unterbringung nicht mehr erfüllt sind.

4 Die betroffene oder eine ihr nahestehende Person kann jederzeit um Entlassung ersuchen. Über dieses Gesuch ist ohne Verzug zu entscheiden.

 

Mit einer Anordnung "fürsorgerische Unterbringung" können Menschen gegen ihren Willen in einer geeigneten Einrichtung, meistens ist damit eine psychiatrische Klinik gemeint, untergebracht werden.

Die FU regelt, wann bei einer Person, bei der keine Einschränkung der Handlungsfähigkeit vorliegt, der Aufenthaltsort von Amtes wegen fremdbestimmt werden darf. Dies ist nur dann der Fall, wenn diese Person an einer psychischen Störung leidet oder schwer verwahrlost erscheint und auch nur dann, wenn die nötige Betreuung oder Behandlung nicht anders erfolgen kann.

Die "geeignete Einrichtung" muss nicht mehr zwingend eine geschlossene Abteilung sein, möglich sind auch: Betreute Wohngruppen, Krankenhäuser, die Wohnung von Familienangehörigen usw.

Sobald die Voraussetzungen für die FU nicht mehr gegeben sind, muss die Person entlassen werden, d.h. sobald die Person ihre Selbständigkeit und Selbstverantwortung wiedererlangt hat.

Allerdings ist die Person auch zu entlassen, wenn die Einrichtung nicht in der Lage ist, dieses Ziel mit ihr zusammen zu erreichen, denn in diesem Fall wäre es sinnlos, sie weiterhin eingesperrt zu halten. Gemeint sind damit Menschen, wie schwer Suchtkranke, die als austherapiert gelten und voraussichtlich nie mehr ein "ordentliches Leben" führen werden.

Gegen eine FU kann nur innert zehn Tagen ein Rekurs / eine Beschwerde eingereicht werden.

 

·        Ein Entlassungsbegehren hingegen kann nach Ablauf dieser Frist jederzeit bei der zuständigen Behörde eingereicht werden!

·        Hat ein Arzt eingewiesen oder hat die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) den Entlassungsentscheid an die Anstalt delegiert, ist die "Einrichtung" zuständig.

·        Hat die KESB eingewiesen oder hat diese eine ärztliche Einweisung bestätigt, ist sie zuständig.

·        Wird das Begehren abgelehnt, kann innert zehn Tagen Beschwerde ans Gericht geführt werden.

·        Falls der Betroffene keine Rechtsmittelbelehrungen für den Weiterzug ans Gericht bekommen hat, kann dieses jederzeit angerufen werden.

·        Zu beachten ist, dass auch nahestehende Personen die Entlassung verlangen können.

 

Art. 427

II. Zurückbehaltung freiwillig Eingetretener

1 Will eine Person, die an einer psychischen Störung leidet und freiwillig in eine Einrichtung eingetreten ist, diese wieder verlassen, so kann sie von der ärztlichen Leitung der Einrichtung für höchstens drei Tage zurückbehalten werden, wenn sie:

1. sich selbst an Leib und Leben gefährdet; oder

2. das Leben oder die körperliche Integrität Dritter ernsthaft gefährdet.

2 Nach Ablauf der Frist kann die betroffene Person die Einrichtung verlassen, wenn nicht ein vollstreckbarer Unterbringungsentscheid vorliegt.

3 Die betroffene Person wird schriftlich darauf aufmerksam gemacht, dass sie das Gericht anrufen kann.

 

Mit eingeschoben 1. und 2. ist gemeint, dass die freiwillig eingetretene Person damit gedroht hat, dass sie entweder sich selbst (Selbsttötung) oder anderen etwas antun könnte.

Wurden Sie beispielsweise "psychisch auffällig", weil Sie ausgesteuert sind, Ihren finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen können und auch noch Ihr Partner Sie deswegen verlassen hat, dann wäre Ihnen mit einer neuen Arbeitsstelle sofort und nachhaltig geholfen. Doch genau diese Hilfe, die Sie so dringend benötigen würden, wird Ihnen auch der hilfsbereiteste Psychiater oder Kliniksozialarbeiter nicht herbeizaubern können. Und auch die verlorene Liebe eines Partners lässt sich nicht mit Selbstmorddrohungen zurückerobern, im Gegenteil. Deshalb:

 

Merke: Egal wie schlecht es Ihnen geht,

drohen Sie NIEMALS mit Gewalt!

 

Es ist ein fundamentaler, wenn leider auch häufig vorkommender Irrtum von Patienten zu glauben, dass wenn sie mit Selbsttötung drohen, sie endlich die Hilfe erhalten, die sie dringend benötigen. Das Gegenteil wird der Fall sein, man wird Sie mit Methoden behandeln, die allesamt unter den Titel "Weisse Folter" fallen (siehe Zwangspsychiatrie), kein einziges Ihrer bestehenden Probleme wird damit gelöst werden, doch werden Sie danach an vielen zusätzlichen zu kauen haben.

Bitte halten Sie sich vor Augen, dass wenn Sie andere Menschen bedrohen, Sie diese in Angst und Schrecken versetzen. Ein Mensch, der mit dem Rücken zur Wand steht, wird aber nicht mehr an Ihr Wohl denken können, sondern nur noch die Absicht verfolgen, sich selbst zu retten und dazu wird ihm jedes Mittel recht sein, auch die Polizei zu rufen.

 

Nutzen Sie Kreativität und nicht Gewalt,

um Probleme zu lösen.

 

3 Die betroffene Person wird schriftlich darauf aufmerksam gemacht, dass sie das Gericht anrufen kann.

Wer zwangseingeliefert wird oder in der Anstalt Drohungen äussert, wird sofort mit narkotisierenden Medikamenten ruhiggestellt. In diesem Zustand wird es Ihnen kaum mehr möglich sein, das Ihnen vorgelegte Schriftstück zu verstehen, geschweige denn, die nötigen Schritte in die Wege zu leiten, um das Gericht anzurufen. Zudem befinden Sie sich mit höchster Wahrscheinlichkeit in einer Isolierzelle, wenn nicht an Händen und Füssen an einen Schragen gefesselt und jeglicher Kontakt zur Aussenwelt wird Ihnen verweigert und zwar tagelang.

Deshalb ist es so wichtig, dass Sie in guten Zeiten eine Vertrauensperson bestimmen, die unverzüglich über Ihre Festnahme zu informieren ist und eine Patientenverfügung erstellen, in welcher Sie klar festhalten, wie Sie im Notfall behandelt werden wollen, und was zu unterlassen ist.

 

Formular Zurückbehaltung

 

Art. 428

B. Zuständigkeit für die Unterbringung und die Entlassung

I. Erwachsenenschutzbehörde

1 Für die Anordnung der Unterbringung und die Entlassung ist die Erwachsenenschutzbehörde zuständig.

2 Sie kann im Einzelfall die Zuständigkeit für die Entlassung der Einrichtung übertragen.

 

Art. 429

II. Ärztinnen und Ärzte

1. Zuständigkeit

1 Die Kantone können Ärzte und Ärztinnen bezeichnen, die neben der Erwachsenenschutzbehörde eine Unterbringung während einer vom kantonalen Recht festgelegten Dauer anordnen dürfen. Die Dauer darf höchstens sechs Wochen betragen.

2 Die ärztliche Unterbringung fällt spätestens nach Ablauf der festgelegten Dauer dahin, sofern nicht ein vollstreckbarer Unterbringungsentscheid der Erwachsenenschutzbehörde vorliegt.

3 Über die Entlassung entscheidet die Einrichtung.

 

Ärzte können einen Zwangsaufenthalt maximal für 6 Wochen aussprechen, dann muss zwingend eine Überprüfung durch die Erwachsenenschutzbehörde erfolgen.

Nur, bis diese Untersuchung endlich stattfindet, werden Sie mit psychotropen Substanzen derart verladen und von den Sie behandelnden Personen fertig gemacht worden sein, dass die Vertreter der Erwachsenenschutzbehörde oder des Gerichts Sie tatsächlich für verrückt halten.

Wie könnten sie auch anders, wenn sie ein wegen der Medikamente sabberndes, unwillkürlichen Muskelzuckungen sowie Ticks im Gesicht unterworfenes entmenschlichtes Wesen vor sich haben, das zudem nicht mehr in der Lage ist, logisch zu denken? Das durch Foltermethoden wie Isolierzelle, Fixation, Nötigungen, Drohungen, Deprivation (Zustand der Entbehrung, des Entzuges und Verlustes von Vertrautem sowie jeglicher Privatsphäre) usw. bereits total traumatisiert ist?

Zusätzlich wird einem Menschen mit psychiatrischen Diagnosen ohnehin nichts geglaubt, als vertrauenswürdig gelten allein die Ärzte.

Als fürsorgerisch Untergebrachter haben Sie weniger Rechte als der brutalste Terrorist, dem sofort ein Anwalt zur Verfügung gestellt und ein ordentliches Gerichtsverfahren garantiert wird und für den vorerst mal die Unschuldsvermutung gilt. Wir haben noch nie davon gehört, dass diese Unschuldsvermutung für einen Zwangsuntergebrachten auch nur in Betracht gezogen worden wäre. Oder haben Sie je in der Presse von einem "mutmasslich psychisch Gestörten" gelesen? Nein, Psychiater, Gynäkologen, Haus-, Augen-, Ohren-, Zahnärzte usw. dürfen direkt und unwiderruflich das Urteil in Form einer psychiatrischen Diagnose fällen. Selbstverständlich gilt dieses Urteil lebenslänglich und kann nicht an eine höhere Instanz weitergezogen werden, wie das bei einem Delikt der Fall ist.

Der unheimliche Pakt zwischen Richter und Psychiater hat sich zum Albtraum für die psychiatrisch Verfolgten entwickelt; denn er macht das Wegsperren zur rein mechanischen Routinesache, für welche sich niemand mehr verantwortlich fühlt: Der Richter kann sich sagen, ich folge ja nur der Beurteilung des Psychiaters, während dieser sich fein raus aus dem Schneider wähnt, es sei letztendlich nicht sein, sondern der Entscheid des Richters.

 

Art. 430

2. Verfahren

1 Die Ärztin oder der Arzt untersucht persönlich die betroffene Person und hört sie an.

2 Der Unterbringungsentscheid enthält mindestens folgende Angaben:

1. Ort und Datum der Untersuchung;

2. Name der Ärztin oder des Arztes;

3. Befund, Gründe und Zweck der Unterbringung;

4. die Rechtsmittelbelehrung.

3 Das Rechtsmittel hat keine aufschiebende Wirkung, sofern die Ärztin oder der Arzt oder das zuständige Gericht nichts anderes verfügt.

4 Ein Exemplar des Unterbringungsentscheids wird der betroffenen Person ausgehändigt; ein weiteres Exemplar wird der Einrichtung bei der Aufnahme der betroffenen Person vorgelegt.

5 Die Ärztin oder der Arzt informiert, sofern möglich, eine der betroffenen Person nahestehende Person schriftlich über die Unterbringung und die Befugnis, das Gericht anzurufen.

 

Formular FU ärztliche Einweisung

 

Art. 431

C. Periodische Überprüfung

1 Die Erwachsenenschutzbehörde überprüft spätestens sechs Monate nach Beginn der Unterbringung, ob die Voraussetzungen noch erfüllt sind und ob die Einrichtung weiterhin geeignet ist.

2 Sie führt innerhalb von weiteren sechs Monaten eine zweite Überprüfung durch. Anschliessend führt sie die Überprüfung so oft wie nötig, mindestens aber jährlich durch.

 

Art. 432

D. Vertrauensperson

Jede Person, die in einer Einrichtung untergebracht wird, kann eine Person ihres Vertrauens beiziehen, die sie während des Aufenthalts und bis zum Abschluss aller damit zusammenhängenden Verfahren unterstützt.

 

Die Aufgabe der Vertrauensperson besteht darin, die Rechte des "Patienten" während seines Aufenthaltes in der Anstalt geltend zu machen, zumal ein zwangsbehandelter Patient dazu selbst nicht in der Lage ist. Die Vertrauensperson darf nicht zum Personal gehören, muss angehört werden, hat das Recht, Einsicht in die Patientenakten zu nehmen und Auskunft zu erhalten. Sie darf den Patienten auch ausserhalb der offiziellen Zeiten besuchen und muss in die Erarbeitung des Behandlungsplanes miteinbezogen werden. Sie kann ihn in den Verfahren vor Verwaltungs- und Gerichtsbehörden verteidigen.

 

Art. 433

E. Medizinische Massnahmen bei einer psychischen Störung

I. Behandlungsplan

1 Wird eine Person zur Behandlung einer psychischen Störung in einer Einrichtung untergebracht, so erstellt die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt unter Beizug der betroffenen Person und gegebenenfalls ihrer Vertrauensperson einen schriftlichen Behandlungsplan.

2 Die Ärztin oder der Arzt informiert die betroffene Person und deren Vertrauensperson über alle Umstände, die im Hinblick auf die in Aussicht genommenen medizinischen Massnahmen wesentlich sind, insbesondere über deren Gründe, Zweck, Art, Modalitäten, Risiken und Nebenwirkungen, über Folgen eines Unterlassens der Behandlung sowie über allfällige alternative Behandlungsmöglichkeiten.

3 Der Behandlungsplan wird der betroffenen Person zur Zustimmung unterbreitet. Bei einer urteilsunfähigen Person ist eine allfällige Patientenverfügung zu berücksichtigen.

4 Der Behandlungsplan wird der laufenden Entwicklung angepasst.

 

Neu ist, dass ein Behandlungsplan erstellt, laufend aktualisiert und mit der betroffenen Person besprochen werden muss. Auch muss die Person über die Behandlung aufgeklärt werden, z.B. über die Wirkungen und Nebenwirkungen der Medikamente. Die Zustimmung einer urteilsfähigen Person dazu ist auch unter FU erforderlich.

Der Patientenverfügung ist nur im Rahmen der Möglichkeiten Beachtung zu schenken, was eine klare Diskriminierung gegenüber somatischen Patienten darstellt.

Mit "medizinischen Massnahmen" ist die Verordnung hochgiftiger Substanzen gemeint, die mittel- bis langfristig eingenommen zu schweren und bleibenden Schäden oder sogar zu einem plötzlichen, resp. vorzeitigen Tod führen können.

 

Art. 434

II. Behandlung ohne Zustimmung

1 Fehlt die Zustimmung der betroffenen Person, so kann die Chefärztin oder der Chefarzt der Abteilung die im Behandlungsplan vorgesehenen medizinischen Massnahmen schriftlich anordnen, wenn:

1. ohne Behandlung der betroffenen Person ein ernsthafter gesundheitlicher Schaden droht oder das Leben oder die körperliche Integrität Dritter ernsthaft gefährdet ist;

2. die betroffene Person bezüglich ihrer Behandlungsbedürftigkeit urteilsunfähig ist; und

3. keine angemessene Massnahme zur Verfügung steht, die weniger einschneidend ist.

2 Die Anordnung wird der betroffenen Person und ihrer Vertrauensperson verbunden mit einer Rechtsmittelbelehrung schriftlich mitgeteilt.

 

Verweigert der Patient seine Zustimmung zum Behandlungsplan, kann der Chefarzt diesen schriftlich und mit Rechtsmittelbelehrung versehen durchsetzen, allerdings nur, wenn der Patient ohne die Behandlung gesundheitlichen Schaden nehmen oder die körperliche Integrität Dritter ernsthaft gefährden würde und keine weniger einschneidende Massnahme zur Verfügung steht.

 

Art. 435

III. Notfälle

1 In einer Notfallsituation können die zum Schutz der betroffenen Person oder Dritter unerlässlichen medizinischen Massnahmen sofort ergriffen werden.

2 Ist der Einrichtung bekannt, wie die Person behandelt werden will, so wird deren Wille berücksichtigt.

 

Art. 436

IV. Austrittsgespräch

1 Besteht eine Rückfallgefahr, so versucht die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt mit der betroffenen Person vor deren Entlassung Behandlungsgrundsätze für den Fall einer erneuten Unterbringung in der Einrichtung zu vereinbaren.

2 Das Austrittsgespräch ist zu dokumentieren.

 

Das Austrittsgespräch ist primär für Personen gedacht, für die auch nach dem Austritt eine Zwangsmedikation angeordnet wurde. Darin wird vor allem damit gedroht, was Sie alles zu erwarten haben, falls Sie die Medikation ohne ärztliche Zustimmung beenden. Es soll angeblich auch der Evaluations- und Qualitätssicherung dienen und eine Retraumatisierung während des nächsten Zwangsaufenthaltes verhindern helfen.

 

Art. 437

V. Kantonales Recht

1 Die Kantone regeln die Nachbetreuung.

2 Sie können ambulante Massnahmen vorsehen.

 

Den Kantonen soll damit die Chance geboten werden, präventiv unterstützende Massnahmen, wie sozialraumorientierte, aufsuchende Psychiatrie, Medizin, resp. Psychologie, soziale Arbeit usw. anzubieten.

Medikamente dürfen ambulant nicht zwangsweise verabreicht werden. Aber es wird gedroht werden: "Wenn Sie Ihre Medikamente nicht nehmen, müssen wir Sie einweisen". Lassen Sie sich nicht beeindrucken. Wenn keine anderen Gründe vorliegen bzw. Sie sich ruhig und korrekt verhalten, muss - theoretisch - eine FU unterbleiben.

 

Art. 438

F. Massnahmen zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit

Auf Massnahmen, die die Bewegungsfreiheit der betroffenen Personen in der Einrichtung einschränken, sind die Bestimmungen über die Einschränkung der Bewegungsfreiheit in Wohn- oder Pflegeeinrichtungen sinngemäss anwendbar. Vorbehalten bleibt die Anrufung des Gerichts.

 

Es folgen hier die Art. 383 - 385 "Aufenthalt in Wohn- und Pflegeeinrichtungen" ZGB 

Art. 383

B. Einschränkung der Bewegungsfreiheit

I. Voraussetzungen

1 Die Wohn- oder Pflegeeinrichtung darf die Bewegungsfreiheit der urteilsunfähigen Person nur einschränken, wenn weniger einschneidende Massnahmen nicht ausreichen oder von vornherein als ungenügend erscheinen und die Massnahme dazu dient:

1. eine ernsthafte Gefahr für das Leben oder die körperliche Integrität der betroffenen Person oder Dritter abzuwenden; oder

2. eine schwerwiegende Störung des Gemeinschaftslebens zu beseitigen.

2 Vor der Einschränkung der Bewegungsfreiheit wird der betroffenen Person erklärt, was geschieht, warum die Massnahme angeordnet wurde, wie lange diese voraussichtlich dauert und wer sich während dieser Zeit um sie kümmert. Vorbehalten bleiben Notfallsituationen.

3 Die Einschränkung der Bewegungsfreiheit wird so bald wie möglich wieder aufgehoben und auf jeden Fall regelmässig auf ihre Berechtigung hin überprüft.

 

Art. 384

II. Protokollierung und Information

1 Über jede Massnahme zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit wird Protokoll geführt. Dieses enthält insbesondere den Namen der anordnenden Person, den Zweck, die Art und die Dauer der Massnahme.

2 Die zur Vertretung bei medizinischen Massnahmen berechtigte Person wird über die Massnahme zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit informiert und kann das Protokoll jederzeit einsehen.

3 Ein Einsichtsrecht steht auch den Personen zu, welche die Wohn- oder Pflegeeinrichtung beaufsichtigen.

 

Art. 385

III. Einschreiten der Erwachsenenschutzbehörde

1 Die betroffene oder eine ihr nahestehende Person kann gegen eine Massnahme zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit jederzeit schriftlich die Erwachsenenschutzbehörde am Sitz der Einrichtung anrufen.

2 Stellt die Erwachsenenschutzbehörde fest, dass die Massnahme nicht den gesetzlichen Vorgaben entspricht, so ändert sie die Massnahme, hebt sie auf oder ordnet eine behördliche Massnahme des Erwachsenenschutzes an. Nötigenfalls benachrichtigt sie die Aufsichtsbehörde der Einrichtung.

3 Jedes Begehren um Beurteilung durch die Erwachsenenschutzbehörde wird dieser unverzüglich weitergeleitet.

 

Zwangsmassnahmen wie Isolierzelle, Fixation, Bettgitter usw. werden heuchlerisch "bewegungseinschränkende Massnahmen" genannt. Sie dürfen nur angewandt werden, wenn eine ernsthafte Gefahr für das eigene Leben oder die körperliche Integrität Dritter besteht, oder wenn der Patient die Gemeinschaft schwerwiegend stört. Der Betroffene und seine Vertrauensperson müssen über die Massnahmen aufgeklärt und diese müssen protokolliert werden.

 

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 Letztmals aktualisiert: 05.12.2018